Vier Ginko-Bäume stehen auf dem Grünstreifen zwischen der U-Bahn-Haltestelle Opernplatz und der Stadtmauer am Kartäusertor. Vier Bäume, von denen drei für die Nürnberger Opfer der NSU-Terrorzelle stehen und der vierte für alle anderen Opfer rechtsextremer Gewalt.
Auf der großen Gedenktafel steht die gemeinsame Erklärung der sieben Städte, in denen das NSU-Netzwerk zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordete.
Auch hier am Mahnmal für die Opfer der NSU-Gewalttaten ist ein Stopp der Walking-Tour zu Tat- und Gedenkorten rassistischen Terrors, die im Rahmen der International Public Summer School 2021 stattfindet.
Jonas Lendl und Norman Louis, Kulturgeografen der Universität Heidelberg und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen führen um die zehn Teilnehmer*innen zu den Tat- und Gedenkorten in Nürnberg.
Mit dem Beginn der Tour am Glasbau des KunstKulturQuartier werden die Teilnehmer*innen kurz eingeführt in die Hintergründe der Walking-Tour.
Bereits zum zweiten Mal werden im Rahmen der Summer School 2021 die Gedenkorte aufgesucht. Für eine weitere Entwicklung des Projekts wird die Tour videodokumentarisch aufgezeichnet. Philipp Krüpe von der Universität Stuttgart nutzt diese Form des Mappings, um verschiedene subjektive Sichtweisen auf die Walkingtour und die Gedenkorte in einem Film zusammenzufassen. Dabei wurden die Teilnehmer*innen des Workshops angehalten über Smartphone- und Videokameras ihre Perspektive festzuhalten. Das Endprodukt soll später im Netz veröffentlicht werden.
Mit dem ersten Halt beschreibt Norman Louis in seinen Anmerkungen einen rassistischen Anschlag, der bereits 1982 in Nürnberg drei Mordopfer forderte. Dieser, für viele eher unbekannte, rechter Terroranschlag weist viele Parallelen auf zu den Taten des NSU-Netzwerks fast 20 Jahre später. Die rassistisch motivierte Tat fand zentral in der Mitte der Stadt und des öffentlichen Lebens statt und der Täter war ebenfalls bereits polizeibekannt und über rechte Netzwerke auch mit stadtbekannten Neonazis verbunden. Beim Anschlag auf die Diskothek Twenty Five wurden drei migrantische Mitbürger erschossen, einige weitere wurden verletzt. An den Anschlag erinnert eine Plakette an der Hauswand.
Die Tour führt uns weiter über die Straße der Menschenrechte, am Germanischen Nationalmuseum vorbei bis vor die Stadtmauer, dort steht das Mahnmal für die Opfer des NSU.
„Ihr könnt den Ort ja einfach kurz auf euch wirken lassen und dann sprechen wir noch darüber.“, sagt Jonas Lendl. Die kurzen Filmclips die die Workshop-Teilnehmer*innen dabei produzieren zeigen die heranwachsenden Ginko-Bäume und Schmutz auf dem Metall der Tafel. Gedenkorte, wie auch das Mahnmal sind immer wieder Opfer von rechtem Vandalismus, wie das Urinieren gegen die Platte oder Aufkleber mit rechten Hass-Botschaften.
Bei den Besuchen der Tat- und Gedenkorte der NSU-Gewalttaten in der Südstadt Nürnberg erzählen Lendl und Louis von den Morden, den Umgang der staatlichen Institutionen damit und den Erinnerungen von Angehörigen. An den Tatorten der Morde an Abdurrahim Özüdoğru in der Gyulaer Straße 1 in seiner Änderungsschneiderei und an İsmail Yaşar an der Ecke Velburgerstraße/ Scharrerstraße in seiner Imbiss-Bude hängen Gedenktafeln von privaten Initiativen. Auch beim Angriffsort auf den 18-Jährigen Wirt der Pilzbar „Sonnenschein“ in der Scheurlstraße 23 findet sich eine inoffizielle Tafel auf Deutsch und Türkisch.
Während der Walking-Tour wird immer wieder diskutiert, wie Opfern rechten Terrors in Nürnberg gedacht werden sollte. Zum Beispiel der Umgang mit den Wünschen der Angehörigen der Opfer, wie die Umbenennung von Straßen und Plätzen. Das ist zuletzt am Enver-Şimşek-Platz in Nürnberg passiert. Aber auch das Aufstellen von entsprechenden Gedenktafeln oder Mahnmalen. Für viele der Workshop-Teilnehmer*innen ist klar, dass dabei der Diskurs darum, wie Gedenken stattfindet, nicht verstummen soll.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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