Der Bahnhof Märzfeld in Langwasser. Ursprünglich wurde er errichtet, um den Besucheransturm auf die Reichsparteitage bewältigen zu können. Später wurden von hier Menschen in Konzentrationslager deportiert. Fertiggestellt wurde der Bahnhof nie, heute verfällt er zunehmend. Vom Treffpunkt an der Bushaltestelle Groß-Strehlitzer-Straße startet eine Gruppe, angeführt von dem Historiker Leonard Stöcklein, in Richtung des Bahnhofs. Wer nicht weiß, wonach er suchen muss, kann ihn leicht übersehen. Eine dunkle Unterführung entpuppt sich als Tunnel zu den Bahnsteigen – und als einziger heute noch zugänglicher Teil des Bahnhofs. Bis auf eine Ausnahme sind alle Zugänge zu den Bahnsteigen zugemauert, doch auch hier versperrt ein Gitter die von Unkraut befallenen Treppenstufen. Ein Zaun, der den Tunnel in Fuß- und Radweg unterteilt, dient als Stabilisator für die fragile Bausubstanz. Betreten kann den eigentlichen Bahnhof niemand. Auch für die Führung macht die Deutsche Bahn keine Ausnahme: Der Bahnsteig bleibt geschlossen. Um trotzdem den fortgeschrittenen Verfallszustand des Bahnhofs zu veranschaulichen, hat Leonard Stöcklein Bilder dabei. Immer schwingt die Frage mit, wie mit einem solchen Ort umgegangen werden sollte. Laut Stöcklein besteht zwar das Risiko, durch eine Erhaltung „nicht nur reine Demokraten“ anzusprechen, trotzdem findet er den aktuellen Umgang mit dem Bahnhof nicht würdig. Als Verbesserungsvorschlag nennt Stöcklein den Entwurf der Landschaftsarchitekturstudentin Charlotte Soppa. Die schlägt in ihrer Bachelorarbeit vor, die zugemauerten Aufgänge zu den Bahnsteigen zu öffnen und das Gitter zu entfernen, das die Unterführung momentan zweiteilt. Auf der gewonnenen Fläche sollen etwa Informationen zur Geschichte des Bahnhofs bereitgestellt werden und den Opfern gedacht werden.
Bisher ist in Sachen Gedenken am Bahnhof Märzfeld nicht viel passiert. An die Geschichte des Bahnhofs Märzfeld erinnert erstmals eine Gedenktafel, die 2005 an der Unterführung angebracht wird – auf Initiative von Studierenden und Schüler*innen. Schon 2007 verschwindet diese Tafel allerdings spurlos, berichtet Leonard Stöcklein. Der Historiker findet, dass der Bahnhof Märzfeld, auch wenn er etwas entfernt vom Rest des Geländes liegt, besser in das Gesamtbild des Reichsparteitagsgeländes eingebunden werden sollte: „Er gehört dazu. Er gehört zum Reichsparteitagsgelände. Er gehört zur Geschichte des Reichsparteitagsgeländes von 1939 bis 1945.“
Seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 stehen auf dem gesamten Reichsparteitagsgelände Stelen, mit Informationen zum jeweiligen Ort. Auch am Bahnhof Märzfeld stehen zwei dieser Tafeln, die an Kriegsgefangene erinnern. Auch die stattgefundenen Deportationen werden thematisiert – allerdings nur auf der Rückseite der Stelen. Wer das nicht explizit auf der Rückseite nach Informationen sucht, übersieht sie einfach.
Zum Abschluss kommt die Führung mit einem kleinen Spaziergang zum ehemaligen Märzfeld. In den 70er Jahren ist hier ein Wohngebiet entstanden. Dort, wo früher der Mittelpunkt des Märzfelds war, befindet sich heute ein Park mit Kinderspielplatz und Klettergerüsten. Eine Handvoll Jugendliche sitzt zusammen und hört Musik über eine Bluetooth-Box. In der Ferne sieht man, über die große Straße hinweg, den Sinnwellturm auf der Kaiserburg, eine Aussicht, die von den Nationalsozialisten bewusst gewählt wurde. Der Blick ist vermutlich das letzte offensichtliche Indiz für die nationalsozialistische Vergangenheit des Ortes.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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