Ein Interview mit Dr. Alexander Schmidt vom Dokumentationszentrum in Nürnberg zur Nachbereitung des Vortrages „Langwasser im Schatten des Reichsparteitagsgeländes“ Im Rahmen der International Public Summer School.
Dr. Alexander Schmidt vom Dokumentationszentrum in Nürnberg.
Foto: Julia Ahlfeld
Oft entsteh der Eindruck, dass Langwasser in Bezug auf das Reichsparteitagsgelände gerne vergessen wird. Stimmt das und warum ist das so?
Dr. Alexander Schmidt: Ja es ist sicher so, dass die allermeisten Menschen Langwasser als nicht zugehörig zum Reichsparteitagsgelände betrachten und das ist ganz einfach die Folge der Konzeption, wie Langwasser entstanden ist. Man hat damals systematisch gesagt, der Stadtteil soll entstehen ohne bauliche und geistige Belastung des Nationalsozialismus. Das heißt man hat alle Spuren, die es vom Reichsparteitagsgelände in Langwasser gab, bewusst beseitigt. Die Märzfeldtürme gesprengt, vom Lager nahezu nichts stehen lassen, sogar die Stadtstruktur völlig verändert nur den Verlauf der Straßen kann man noch ein Bisschen mit der damaligen Zeit in Verbindung bringen. In den 50er, 60er, 70er Jahren war das Konzept ganz bewusst „wir bauen ein Langwasser ohne Geschichte“ und deshalb kann man eben kaum noch Spuren finden, Langwasser ist einfach eine große bebaute Trabantenstadt und die Einwohner entdecken jetzt aber selbst langsam ihre Geschichte. In den letzten Jahren gab es die Geschichtswerkstadt Langwasser, die finden das auch interessant. Also es war eigentlich wahrscheinlich damals eine falsche Entscheidung, zu sagen wir machen das ohne Geschichte. Aber genau deswegen ist Langwasser so außerhalb des Fokus.
Also bildet Langwasser das Gegenteil zum Beispiel zur Zeppelin Tribüne, wo die Zeichen ja auf Erhalt stehen?
Dr. Alexander Schmidt: Sagen wir mal so, es gab immer auch bei der Zeppelin Tribüne oder auf dem Rest vom Gelände so ein Bisschen die Tendenz „es wäre eigentlich schöner, wenn der ganze Mist weg wäre“. Das hat man jetzt hier bei der Zeppelin Tribüne nicht durchgezogen, weil es eine Tribünen ist, die man noch nutzen wollte, zum Beispiel auch für’s Autorennen. Bei Langwasser hingegen konnte man es durchziehen und sicherlich würde man heute sagen, wenn wir die Reihe der schon gebauten Märzfeldtürme jetzt noch hätten, dann wäre das was das im Stadtteil sicher integrierbar wäre in einer kritisch-aufklärerischen Weise. Das hat man sich damals nicht zugetraut, da hatte man eher die Befürchtung, dass diese Bauten dann Langwasser dominieren würden, und hat sie lieber beseitigt. Das sieht man heute anders, ich muss aber sagen aus der Zeit heraus versteh ich den Ansatz schon, dass man sagt, ne damit wollen wir uns nicht belasten.
Langwasser ist ja nicht gerade für seine „friedlichen“ Ruf bekannt. Ist das nur ein Ruf oder Realität?
Dr. Alexander Schmidt: Natürlich hat man in so einem großen Stadtteil auch Bewohner, die nicht so einfach sind und es gibt, neben Gostenhof wahrscheinlich kaum einen Stadtteil in Nürnberg der derartig von Zuwanderung betroffen ist und das hat dann große Aufgaben der Integration zur Folge und das ist nicht immer einfach. Wenn man sich jetzt aber die Atmosphäre zum Beispiel im Gemeinschaftshaus Langwasser anschaut, dann ist das eigentlich eine gute Atmosphäre. Natürlich ist es eine Herausforderung, aber ich muss wirklich sagen, den Ruf den Langwassers manchmal hat, also außerhalb von Langwasser, ein Stadtteil der Kriminellen zu sein oder was auch immer, der ist völlig unberechtigt. Der kommt auch aus der Lagerzeit, als damals noch das Valka Lager existiert hat und es da angeblich dauernd irgendwelche Zwischenfälle gab. Das war schon damals nicht richtig, dass der Langwasser ein krimineller Stadtteil war und es ist heute erst recht nicht wahr. Wer sich selbst ein Bisschen damit beschäftigt sieht, dass es ein ganz spanender Stadtteil ist und auch ein ganz anders als der Rest Nürnbergs, wie kaum etwas aus der Zeit vor 1945 dasteht.
Was kann man dagegen machen, um die Lanze für Langwasser zu brechen?
Dr. Alexander Schmidt: Was aus unserer Sicht vom Thema Reichsparteitagsgelände her gedacht unbedingt kommen muss, ist eine Aufwertung des Ortes Bahnhof Märzfeld. Es muss einen Ort geben wo man der vielen Zwangsarbeiter, die da verschoben wurden, wo 5000 Menschen in Langwasser gestorben sind, wo man der Menschen gedenkt. Wo man Hinterbliebenen Verwandten, die uns jetzt anschreiben, guten Gewissens sagen kann „da könnt ihr hingehen, da könnt ihr noch mal kurz vielleicht vom Opa oder so Abschied nehmen“ und diesen Ort könnte ich heute so nicht zeigen. Wenn es so etwas in Langwasser gibt, dann ist das auch eine Aufwertung für den Stadtteil, weil es natürlich auch ein Stück Geschichte wieder sichtbar macht. Ansonsten müssen wir Langwasser auch in unserer Bildungsarbeit einbauen, das ist auch eine Forderung, die man unbedingt mit Leben erfüllen muss und dann geht das auch mehr in die Richtung, dass man Langwasser auch wahrnimmt. Aber keine Frage die meisten Touristen werden die großen und spektakulären Bauten hier am Dutzenteich anschauen und Langwasser eben nicht. Das ist so und wird auch vermutlich so bleiben. Es ist mehr etwas für die Einheimischen und natürlich für die Betroffenen. Es gibt kaum einen internationaleren Stadtteil durch die Historie, was wir hier haben an Italienern, Russen, Serben, Menschen aus den USA oder Frankreich, die alle irgendeine Verbindung zu Langwasser haben. Die haben keinerlei Bezug zu den ganzen großen Bauten hier, das heißt wenn die da einen Ansprechpartner finden, dann zieht das auch internationale Gäste nach Langwasser die einen speziellen Bezug dazu haben und das finde ich total spannend, weil das wussten wir in der Form vor 20 Jahren nicht und das ist einen neue Aufgabe.
Was ist der aktuelle Stand bei dem Thema „Geschichte wieder sichtbar machen“ gibt es schon konkrete Pläne?
Dr. Alexander Schmidt: Ja, wir gehen auf die Deutsche Bahn zu, was den Bahnhof Märzfeld betrifft, das müssen wir schaffen und ich glaube, dass die Bahn da auch offen ist und ich sag mal in fünf Jahren wird man da auch hoffentlich etwas sehen. Der Wille ist auf jeden Fall da, aber es hängt natürlich nicht nur von uns ab. Man muss klar sagen der Bahnhof Märzfeld gehört nicht der Stadt, der gehört der Deutschen Bahn und die muss da zustimmen, wenn da irgendwas passiert, und wird sich auch wahrscheinlich finanziell beteiligen müssen. Aber ganz ehrlich, wird sich eine Deutsche Bahn dem wirklich verschließen können?! Ich kann es mir nicht vorstellen. Also insofern sehe ich die Chancen, wenn wir es geschickt anstellen, ganz gut, dass man da tatsächlich zumindest diese eine Forderung erfüllt, dass der Bahnhof Märzfeld irgendwie ein Ort ist, den man guten Gewissens einer Gruppe aus Italien die da den Opa verloren hat, zeigen kann. Und das kann ich momentan guten Gewissens nicht. Es ist eine Rumpelkammer, es sieht scheußlich aus und da führe ich niemanden hin. Und der Bahnhof Märzfeld ist nun mal der einzige sinnvolle Ort, wo man diese Geschichte im Gelände zeigen sollte, und deshalb müssen wir den so herrichten, dass man das auch gut machen kann.
Finanziell wird das bestimmt auch recht spannend, ganz billig klingt das Vorhaben ja nicht. Könnte es passieren, dass das auf Kosten der sozial Schwächeren Bewohner Langwassers geht?
Dr. Alexander Schmidt: Ich bin dagegen das gegeneinander aufzurechnen. Wir müssen überlegen wo geben wir welches Geld aus, aber das heißt ja nicht, dass wenn wir für Geschichte Geld ausgeben, dass wir dann soziale Probleme in Langwasser vernachlässigen dürfen. Da müssen wir eine Abwägung finden und das ist genau, dass, was ich auch bei dem Thema Oper als wichtig ansehe. Wenn man da von 200, 300, 400 Millionen Euro und mehr spricht, dann muss man such irgendwann mal fragen, wie das in Relation zu anderen Aufgaben der Stadt, die auch bezahlt werden müssen. Diese Relation muss sich die Kultur auch stellen und da denken ich nicht, dass man sagen kann, soziales versus Kultur, sondern was ist auf beiden Gebieten möglich und was leider nicht.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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