Josef Reindl ist von Beruf Architekt und war 27 Jahre an der Technischen Hochschule Nürnberg in der Lehre tätig, bis er vor fünf Jahren in den Ruhestand ging. Er ist Mitgründer des Vereins BauLust, der sich mit Architekturproblemen in der Stadt Nürnberg beschäftigt.
Herr Reindl, was ist Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren und Jahrzehnten beim Reichsparteitagsgelände schief gegangen?
Die Stadt Nürnberg macht gewisse Dinge einfach, ohne zu informieren. Zum Beispiel hat man die große Straße saniert, damit die Messe da parken kann und eine zweite Ausfahrt hat. Das ist alles so stillheimlich und ohne ein Gesamtkonzept entstanden. Jetzt will man das Operninterim rein machen, was ich nicht nachvollziehen kann. Ich bin der Meinung, diese Gebäude darf man in keiner Weise aufwerten. Das, was mit dem Doku-Zentrum gemacht wurde ist in Ordnung, weil sich die Sache mit dem Thema auseinandersetzt. Das Doku-Zentrum wurde auch im Innenausbau nicht verändert. Diese Rohbausituation hat man so gelassen und man hat mit rohen Materialien wie Stahl gearbeitet. Dann hat man angefangen, den Kongresssaal im Kopfbau zu renovieren, wo die Symphoniker drin sind. Mit einer gigantischen Treppe im Vorfeld, das ist meiner Meinung nach schon ein totaler Fehl-Lauf. Der Serenadenhof ist wiederum eine vernünftige Nutzung. Da hat man nicht viel gemacht, es wuchert wilder Wein und das ist eine sehr schöne Situation, die man durchaus machen kann. Man kann dieses Gebäude auch temporär nutzen, zum Beispiel gab es vor Jahren mal eine Ausstellung der Fotoszene Nürnberg in diesen Räumen. Es gab dort auch schon ein Theaterstück zu den Ausschwitz-Protokollen. Was aber wirklich das größte Problem ist, und das sehe ich jetzt auch schon bei der Erweiterung des Doku-Zentrums: dass man das immer mehr aufwertet mit Wohlfühl-Café und schönen Oberflächen. In der Interim-Ausstellung hat man nun plötzlich eine türkise Farbe als Hintergrund, die sehr sympathisch ist. Das ist meiner Meinung nach ein Fehl-Lauf. Das Thema kann nicht sympathisch sein, das muss einen richtig bewegen. Ich weiß auch nicht genau, was im Doku-Zentrum gerade passiert. Da erfährt man ja auch nichts darüber, außer den Dingen, die auf dem Bauzaun sind.
Apropos Doku-Zentrum: Alexander Schmidt hat bei der Summer School ein Konzept vorgestellt, wie in Zukunft mit dem Gelände umgegangen wird. Beispielsweise wird eine Hälfte des Geländes für die Öffentlichkeit frei begehbar sein. Was halten Sie davon?
Ich habe das nicht als Konzept verstanden. Das war eher ein hilfloser Schnellschuss, dass man sagt „ja die Flächen nutzen wir halt so, aber da hinten ist ein Sperrbezirk, weil da spielen die Leute Fußball auf dem Zeppelinfeld.“ Ich meine, sowas ist doch kleinkariert, entweder öffnet man das Gelände für die Bevölkerung oder man lässt es bleiben. Dass man da wieder Teile abschottet halte ich nicht für gut. Auch diese Container, die sie aufstellen, und das Türmchen, was sie bauen wollen, damit die Leute dann hochsteigen können - das ist alles Blödsinn. Es gibt oben auf der Kongresshalle eine Bühne, die vom Architekten Günther Domenig mitgebaut wurde, die wurde nur wenig genutzt. Man kann oben raufgehen, da steht man in 30 Meter Höhe und hat einen sehr schönen Überblick über alles.
Wie würden Sie mit dem Gelände umgehen, wenn Sie entscheiden könnten?
Auf keinen Fall abreißen, die Kongresshalle nutzen. Natürlich auch so weit den Bauunterhalt machen, dass es sicher ist und keiner zu Schaden kommt. Aber keine großen Summen reinstecken. Die Kongresshalle hat ein Dach mit Solar und die Erdgeschossräume sind vermietet, angeblich haben sich die Renovierungskosten, die jährlich notwendig sind, dadurch auch getragen. Das habe ich mal vernommen, aber offiziell erfährt man darüber nichts. Aber dass man jetzt den goldenen Saal renovieren will? Also so wertvoll ist der nun wirklich nicht. Und der goldene Saal allein ist es ja nicht. Das ist alles einsturzgefährdet, alles notabgestützt.
Langwasser ist ja auch ein Teil vom Gelände. Was wünschen Sie sich da?
Der Bahnhof Märzfeld muss wieder zugänglich gemacht werden. Es muss auch mehr aufgeklärt werden, das ist ein ganz wichtiges Thema. Die Barackenlandschaft, die es da mal gab, auch das müsste man wieder über vernünftige Info-Tafeln ins Bewusstsein der Menschen bringen. Die Info-Tafeln beim Bahnhof Märzfeld stehen rechts in einer Nische versteckt, damit es keiner sieht. Ich weiß gar nicht woher das kommt, dass die Stadt mit dieser Thematik so krampfhaft umgeht.
Wie stellen Sie sich die pädagogische Nachbetreuung vor?
Es wäre meiner Meinung nach eine Aufgabe des Doku-Zentrums, dass sie nach der Ausstellung auch eine Diskussion vor Ort anbieten. Unser radikalster Vorschlag war eigentlich, die hundert Millionen für die Sanierung der Zeppelintribüne in ein internationales Jugend-Begegnungs-Zentrum auf diesem Gelände zu investieren. Wo Jugendliche aus der ganzen Welt sich mit der Thematik auseinandersetzen. Das wäre, meine ich, die absolut richtige Reaktion.
Können Sie Ihre wichtigsten Punkte noch einmal zusammenfassen?
Eigentlich wäre es wichtig und schön, wenn man das Gelände wieder zum Bürgerpark macht, zum Volkspark, was es ja mal war. Das Gelände wird auch gut angenommen. Es liegt sehr stadtnah, im Sommer wird gegrillt und die Leute halten sich dort auf. Es bräuchte eine bessere Infrastruktur, wie WC-Einheiten und Kioske, die nicht so improvisiert dastehen. Aber auch immer im Dialog mit dem Gelände, sodass die Leute, die da feiern, auch merken, was das eigentlich mal war. Das wäre wichtig. Ich habe auch nichts gegen die Autorennen, solange man nicht dadurch alles verändert. Seit 10-15 Jahren bauen sie die Leitplanken nicht mehr weg, was natürlich eine Katastrophe ist. Auch der unkontrollierte Bewuchs im Zeppelinfeld stört mich. Da sind jetzt plötzlich Bäume drin, die da nicht hingehören. Auch an der Kongresshalle sind Bäume, die die Perspektive verzerren und diese Höhe verharmlosen. Das müsste man eigentlich viel bewusster machen.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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