Zum 50-jährigen Jubiläum des Skulpturenprojekts Symposion Urbanum Nürnberg 71 erinnert sich die Stadt an die Kunstwerke, die seither das Nürnberger Stadtbild prägen. Das Großprojekt Symposion Urbanum Nürnberg wurde durch das Planungs- und Baureferat der Stadt Nürnberg getragen und zusammen mit Kultur- und Kunststätten entwickelt. Ein Interview mit Susann Scholl, der Kuratorin des Projekts.
Svenja Holy: Wie schaut die Arbeit einer Kuratorin aus?
Susann Scholl: Das wirklich Aufregende bei der Arbeit ist der Kontakt mit den Künstler*innen und der Aufbau der Ausstellungen. Einen großen Teil nimmt tatsächlich Recherchearbeit ein, die am Schreibtisch passiert. Viel Fleißarbeit gehört auch dazu. Was mich an der Arbeit besonders fasziniert, ist das Einarbeiten in neue Themen und die persönliche Erweiterung des Horizonts. Es ist ein sehr abwechslungsreicher Job und das Besondere dabei ist das hautnahe Miterleben vom Start bis zum Ende eines Projekts. Jede Ausstellung ist anders, weil man jedes Mal ganz andere Grundvoraussetzungen hat. Eine große Herausforderung ist die Balance zu finden zwischen dem was man selber vermitteln möchte und dem was die Künstler*innen gerne nach außen tragen möchten.
Wie lief die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern untereinander ab?
Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen vom Neuen Museum und der Kunsthalle lief sehr gut. Symposion Urbanum ist ein sehr großes Projekt und für mich war es das erste Mal, mit so vielen verschiedenen Beteiligten zusammenzuarbeiten. Ein wesentlicher Punkt war das genaue Absprechen untereinander, Entscheidungen treffen, zusammen kooperieren, damit man zu einer gemeinsamen Basis kommt. Auch der Kontakt zu den beteiligten Künstlern war nicht schwer. Da die meisten Kunstschaffenden vom Symposion Urbanum Nürnberg 71 bereits verstorben waren, standen wir oft im Kontakt zu den Witwen und den Nachlassverwaltern, von denen wir viel Unterstützung erfahren haben. Alle haben sich sehr über die erneute Aufarbeitung und das wiederholte ins Bewusstsein rufen dieser Zeit und der Werke gefreut.
Gab es Stolpersteine bei der Zusammenarbeit?
Das Schwierigste an dem ganzen Projekt war tatsächlich der Findungsprozess. Welche Institution übernimmt welchen Teil? Wir hatten auch geplant, dass die beiden Ausstellungen im Neuen Museum und in der Kunsthalle parallel laufen, leider ließ sich das nicht realisieren, aufgrund der Schließung der Ausstellungshäuser während des Lockdowns. Die Kunsthalle musste eine Ausstellung in den Herbst verschieben und dadurch war es inhaltlich schwieriger, die Zweiteilung des Projekts zu vermitteln. Für die Außenstehenden, zum Beispiel die Erich-Hauser-Stiftung, war es manchmal schwer herauszufinden, wer jetzt für welchen Teil zuständig ist. Erich Hausers Werk war im Neuen Museum unter anderem mit der großen Außenplastik 22-70/71 in der Ausstellung Art Attacks! dabei und gleichzeitig mit Modellen seiner Bodenreliefs vor dem Bundeskanzleramt in Bonn in der Ausstellung In Situ? Über Kunst im öffentlichen Raum in der Kunsthalle und darüber hinaus noch im Teil Symposion Urbanum Nürnberg von 1971. Ich denke, Außenstehenden fehlte oft das Wissen über die einzelnen Teile des Projekts, besonders wenn sie nicht vor Ort in Nürnberg waren. Im Laufe des Projekts haben wir festgestellt, dass wir zum Beispiel ein gemeinsames Plakat brauchen auf dem alles genannt ist. Das war am Anfang gar nicht so vorgesehen.
Welche Ausstellung kam am besten bei den Nürnbergern an?
Art Attacks! 50 Jahre Kunst im öffentlichen Raum in Nürnberg war eine Ausstellung, die sehr gut ankam, weil sie stark von der Gestaltung gelebt hat und inhaltlich viel zu bieten hatte, besonders für die Nürnberger*innen. Diesen Themen hat sich bisher noch keine Ausstellung gewidmet. Zur Ausstellung gab es begleitende oder auch erklärende Texte für die Besucher*innen. Das ist den Besucherinnen und Besuchern sehr entgegengekommen, da sie dadurch viel Hintergrundwissen bekommen haben. Aber auch In Situ konnte mit einem breiten Themenspektrum viel Interesse bei den Besucherinnen und Besuchern wecken.
Wenn Sie zurück zum Start des Projekts springen könnten, was hätten Sie verändert?
Es wäre schön gewesen die zwei Ausstellungen parallel laufen zu haben. Aber im Nachhinein bin ich sehr froh, dass wir diese zwei Ausstellungsteile trotz aller Corona-Handicaps hatten, denn das hat es auf jeden Fall gebraucht, um dem Ganzen auch gerecht zu werden. So von den Seiten der Künstler*innen, von den Ideen und Entwürfen und auch von der Reaktion vom Publikum.
Kunst im öffentlichen Raum – Wie sehen heute die Teilnahmebedingungen aus?
Da gibt es ganz unterschiedliche Vorgänge. Manchmal treten Künstler*innen an die Stadt Nürnberg heran und schlagen verschiedene Orte vor. Wie zum Beispiel bei der Modulgalerie von Kasia und Olaf Prusik-Lutz in der Lorenzer Passage. Bei der Installation von Alexander Lander am Nordbahnhof, gab es dagegen eine Ausschreibung. In Nürnberg entscheidet generell der Beirat für Bildende Kunst über die Entwürfe. Der Entwurf von Ina Weber, der im Zusammenhang mit der Ausstellung In Situ entstanden ist, soll noch realisiert werden. Die Idee war für eine Haltestelle gedacht, jedoch konnte man zusammen mit der VAG keine passende finden, sodass das Projekt jetzt auf dem Kopernikusplatz realisiert werden soll.
Eine Person, wohnhaft in Nürnberg, fragte Sie damals bezüglich der Ausstellung „In Situ?“: Warum soll ich dort hingehen?
Die Ausstellung gab einen Einblick, was Kunst im öffentlichen Raum sein kann und wie sie sich in den letzten fünfzig Jahren entwickelt hat. Die Räume sind thematisch angelegt und vermitteln den Besuchern die Funktionen, Aufgaben und Inhalte von der Kunst im öffentlichen Raum. Es ist sehr spannend, welche Geschichten sich häufig hinter den einzelnen Werken verstecken. Über diese Kunst muss oft sehr pragmatisch entschieden werden, weil sie an bestimmte Bedingungen vor Ort gebunden ist oder eben bestimmte Funktionen innehat. Sie kann aber auch aktionistisch stattfinden, wie das Regenbogenpräludium auf dem Reichsparteitagsgelände.
Was ist das Ziel von dem Projekt „50 Jahre Symposion Urbanum Nürnberg“?
Das Projekt Symposion Urbanum Nürnberg finde ich sehr wichtig, um in der Bevölkerung wieder ein Bewusstsein für die Kunst in der Stadt zu schaffen. 1971 war für Nürnberg ein ganz bedeutender Moment, wo die Stadt gezeigt hat, dass sie mit den aktuellen und internationalen Kunstgeschehen mithalten kann. Durch das Großprojekt konnte nochmals alles aufgearbeitet werden, auch die Reaktionen der Bevölkerung auf die Kunstwerke. Woran lag es? Warum haben die Leute es damals nicht verstanden? Was waren vielleicht auch die Schwierigkeiten für das ganze Projekt? Es lief natürlich damals auch nicht alles ohne Probleme, es gab etliche Stolpersteine. Dieses Bewusstsein dafür zu schaffen, fand ich sehr wichtig in Bezug auf die Skulpturen und Objekte von 1971. Auch dafür, wie man mit diesem Erbe in der Stadt umgeht. Oft werden die Kunstwerke versetzt aus rein pragmatischen Gründen. Es gibt eine Baustelle, dann schiebt man die Skulptur ein paar Meter zur Seite. So eine Stadt sammelt ja unheimlich viel an im Laufe der Zeit. Das haben ja auch die Debatten im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung gezeigt, die sich mit den Denkmälern beschäftigt haben. Ist es legitim, alles stehen zu lassen, was irgendwann mal aufgestellt wurde oder sollte man das hin und wieder einer Diskussion unterziehen. Von daher fand ich das ein sehr wichtiges Projekt, weil es wieder einen Fokus auf dieses Thema gelegt hat. Gerade auf die Skulpturen von 71, da gibt es Besucher der Ausstellung, die die Arbeiten sehr gut kannten, andere, auch Nürnberger, für die die Kunstwerke total fremd waren. Und das fand ich wichtig, da mal wieder ein Augenmerk darauf zu legen.
Möchten Sie noch etwas mitteilen?
Ja, ich kann den aktuellen Kurzführer zum Symposion Urbanum Nürnberg 71 ans Herz legen. Darin sind Tourenvorschläge durch die Stadt und zu den einzelnen Skulpturen zu finden. Der Kurzführer kann in der Kunsthalle, dem Neuen Museum oder in der Touristeninformation für 3 Euro erworben werden. Es sollen ja in den nächsten Jahren noch mehr Kunstwerke in der Stadt aufgestellt werden und wer möchte, kann das auf der Webseite www.su-nuernberg.de verfolgen.
Vielen Dank für das Interview.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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