Frau Xiaotian Li, Dozentin für Architektur an der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg, war an den Prozessen der Summer School 2021 hautnah dabei. Im Rahmen eines Seminars an der TH Nürnberg hat Sie sich zusammen mit einer Gruppe von Studierenden mit dem Ehemaligen Reichsparteitagsgelände befasst. Für Li war das aber kein neues Terrain. Nachdem sie 1999 von der Volksrepublik China nach Deutschland ausgewandert und 2005 nach Nürnberg gekommen ist, beschäftigt Sie sich mit der NS-Geschichte Nürnbergs. Zusammen mit ihrem Mann Christof Popp, der ebenfalls Teil der Summer School 2021 ist, realisiert Sie 2006 ein Informationssystem am ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Mehrere große Tafeln stehen an 23 Stellen auf dem Areal und informieren mit Texten, Bildern und Plänen über die Geschichte und Bedeutung von Propagandainszenierungen der Nationalsozialist*innen in Nürnberg. Welche Erfahrungen und Erkenntnisse Sie mit den Studierenden während der Summer School 2021 gewonnen hat und welche Resonanz und Wünsche Sie daraus zieht, erzählt sie uns im Interview.
Bettina: Als Sie 2005 nach Nürnberg gezogen sind, war Ihnen bewusst, welche düstere NS-Geschichte Nürnberg mit sich trägt?
Xiaotian Li: Nein, am Anfang war mir die Geschichte hinter Nürnberg nicht wirklich bewusst. Man muss dazu sagen, dass ich aus China komme und erst 2005 nach Nürnberg gezogen bin. Zusammen mit meinem Mann Christof Popp habe ich mich aber gleich ein Jahr später für das Informationsteam des Reichsparteitagsgeländes beworben und das Informationssystem aufgebaut. Damit hatte ich ab dem Zeitpunkt einen direkten Draht zur Geschichte des Nationalsozialismus. Es war wie ein Schnellkurs, bei dem ich mich in sehr kurzer Zeit sehr intensiv mit der Geschichte Nürnbergs und des Reichsparteitagsgeländes auseinandergesetzt habe.
Frage: Welche Aufgabenstellung haben Sie Ihren Studierenden im Rahmen der Summer School 2021 „Bilder vom Gelände“ gegeben?
Xiaotian Li: Also tatsächlich muss ich immer von „uns“ sprechen. Denn ich habe sehr eng mit Inge Manka, Dozentin für Architektur und Raumplanung an der TU Wien, zusammengearbeitet. Sie hatte auch ihre eigene Gruppe an Studierenden, die im Rahmen der Summer School mitgemacht hat und wir hatten uns dazu entschlossen, unsere Gruppen zu mischen. Bei der Aufgabenstellung haben wir uns an einem sehr wirksamen Lernprozess orientiert. Das setzt sich aus der Wahrnehmungsebene, Informationsebene und analytischen Ebene zusammen. Wenn man diese drei Ebenen durchläuft, hat man einen sehr guten Lernprozess hinter sich. Also haben wir mit der Wahrnehmungsebene angefangen und unsere Studierenden auf das Gelände geschickt. Sie sollten danach über ihre erste Wahrnehmung berichten und da ist uns schon aufgefallen, dass viele Studierende nicht wirklich viel über die Geschichte wussten. Man muss dazu sagen, dass das Gelände sehr groß ist und sogar Studierende dabei waren, die zuvor noch nie in Nürnberg gewesen sind. Um danach die Informationsebene zu erreichen, haben wir das Gelände und Teile der Stadt in acht Streifen unterteilt, die dann jeweils von einer Zweier- bis Dreier Gruppe behandelt wurden. Einer der Gruppen ist sogar den kompletten Streifen abgelaufen und das Ganze hat fünf Stunden gedauert. Sie sollten recherchieren und Informationen sammeln, welchen Zusammenhang ihr Streifen mit dem Nationalsozialismus aufweist. Zum Schluss bei der analytischen Ebene haben die Studierende ihre Erkenntnisse auch in die Praxis umgesetzt und eine kleine Intervention gemacht.
Frage: Ihre Studierenden haben bestimmte Bestandteile des Reichsparteitagsgeländes analysiert und eine eigene Intervention entwickelt. Welche Intervention ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Xiaotian Li: Es sind natürlich sehr viele tolle Projekte geworden und es fällt mir immer schwer, nur über eines zu reden. Aber ich kann gerne ein tolles Beispiel nennen. Eine Gruppe hat auf ihrem Gebiet in der Südstadt mehrere "Tatorte" entdeckt. Nachdem sie sich thematisch über die Standorte informiert hatten, entwickelten sie eine Idee für die Intervention. Sie organisierten zwei Tänzerinnen, einen Musiker und ein Videoteam. Ohne jegliche Ankündigung führten sie an einem der "Tatort"-Standorte eine 20-minütige Tanzeinheit vor. Die Choreografie war eine sehr moderne Tanzweise und irritierte die vorbeilaufenden Passagiere und Autofahrer. Selbst Menschen, die uns aus dem Fenster gesehen hatten, sind runter auf die Straße gekommen, um sich die Vorführungen anzuschauen. In der Tanzeinheit lag so viel Dunkelheit, Angst und Aggression, dass wir danach förmlich sprachlos waren. Ein Tatort, der tänzerisch interpretiert wird, lässt ganz viele Emotionen und unangenehme Gefühle hochkommen. Die beiden Tänzerinnen lagen am Ende auch zehn Minuten völlig reglos am Boden, als wären sie tot.
Frage: Was ist am Ende der Summer School Ihre Resonanz? Hat das Projekt Ihre gewünschte Aufmerksamkeit bekommen?
Xiaotian Li: Wir hatten kurz vor Beginn einige organisatorische Schwierigkeiten, weshalb wir alles noch einmal umschmeißen mussten. Am Ende war ich aber sehr stolz auf das, was wir geschafft hatten. Vor allem die Workshops und Ausstellungen auf der Spiegelwiese waren ein Erfolg. Die Menschen, die unterwegs waren, haben angehalten und sind tatsächlich geblieben. Wahrscheinlich weil es keine Hemmschwelle gab. Sie konnten einfach bleiben und zuhören. Es kam auch zu sehr vielen Gesprächen, manchmal nicht nur schöne, aber so ist es genau richtig gewesen. Das hat unsere Erwartungen und Vorstellungen total erfüllt. Die Medien sind auch auf uns aufmerksam geworden. Es wurden mehrere Artikel vom BR und den Nürnberger Nachrichten geschrieben. Bei den Vorträgen, die wir gehalten hatten, haben wir wirklich sehr gute Fachleute eingeladen. Umso trauriger war es, dass durch Corona nicht so viele Menschen vor Ort waren. Trotzdem sind einige gekommen, auch von der Stadt Nürnberg. Das Beste an den Tagungen waren meiner Meinung nach die hitzigen Diskussionen, die im Anschluss folgten. Ich habe schon einige Tagungen in meinem Leben durchgemacht, aber dass so diskutiert wurde, war noch nirgendwo der Fall. Es war kein Frage-Antwort-Spiel, sondern es wurde richtig diskutiert und das fand ich großartig.
Frage: Was würden Sie sich wünschen, wie soll zukünftig mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände und der NS-Geschichte umgegangen werden?
Xiaotian Li: Mein Wunsch wäre, dass man Demokratie nicht an Ergebnissen messen soll, sondern an Prozessen. Das bedeutet eine viel offenere und transparentere Gesprächskultur in der Stadt Nürnberg. Das der sogenannte Entscheidungskreis deutlich sichtbarer und transparenter wird. Mit einer großen Öffnung für Bürgermeinungen aus den verschiedensten Interessengruppen. Denn es reicht nicht, wenn Entscheidungsträger in ihrem Kreis diskutieren und dann die Ergebnisse mit der Öffentlichkeit teilen. Sie müssen das schon viel früher machen, die Gesellschaft sollte schon bei der Diskussion ganz am Anfang mitsprechen können. Ich wünsche mir eine andere Diskurskultur, damit Entscheidungen nicht isoliert getroffen werden, sondern gemeinsam. Auf der anderen Seite wünsche ich mir von der Gesellschaft, sich selbst mehr zu engagieren und aktiv zu werden. Denn mit einem „Ich wünsche mir…“ ist noch nichts getan.
Wer heute an der Russenwiese in Nürnberg spazieren geht, sieht eine friedliche Lichtung, die von Menschen aus der ganzen Stadt genutzt wird, um die Natur zu genießen und zu entspannen. Menschen, die mit ihren Hunden Gassi gehen, Jogger*innen und Einwohner, die die frische Luft genießen. Doch reist man über 100 Jahre in die Vergangenheit zu Beginn des Ersten Weltkrieges zurück, sieht die Situation ganz anders aus. Hier wurde während dem Ersten Weltkrieg ein Lager für russische Kriegsgefangene errichtet, woraus sich auch der Name „Russenwiese“ ableitet. Etwa zwanzig Jahre später, im Zweiten Weltkrieg 1939, wurde an der Stelle ein Arbeitserziehungslager errichtet. Die Haftbedingungen dieses Straflagers waren mit denen in den Konzentrationslagern der SS vergleichbar.
Im Rahmen der Summer School 2021 haben sich Evelyn von der TH Nürnberg und Mo von der TH Wien zusammengeschlossen, um die Geschichte der Russenwiese aufzuarbeiten und die Menschen darauf aufmerksam zu machen. Wie sie vorgegangen sind und welche persönlichen Schlüsse sie daraus gezogen haben, erzählen sie im Interview. (Anmerkung: Beide Studierende haben an dem Interview teilgenommen und die Fragen gemeinsam beantwortet.)
Frage: Erzählt uns von eurem Projekt. Wie seid ihr vorgegangen?
Evelyn & Mo: Unser Projekt heißt „Ideologie im Grünen“ und es geht dabei um das performative Markieren von Gestaltungsaspekten auf den Grünflächen, um auf die ideologischen Facetten der Landschaftsgestaltung aufmerksam zu machen. Dafür haben wir uns anfangs drei Orte ausgesucht, die Russenwiese, den Klimahain und die Grünfläche um den Dutzendteich selber. An diesen drei Orten haben wir sehr viel Recherche betrieben. Wir haben sämtliche Aspekte analysiert und die geschichtlichen und landschaftsarchitektonischen Aspekte beleuchtet. Allerdings konnten wir unser praktisches Vorhaben nur an der Russenwiese durchführen, weil wir für die zwei anderen Standorte keine Genehmigung von der Stadt Nürnberg erhielten. Da der Reichswald nicht mehr dem Nürnberger Gebiet obliegt, konnten wir hier unser Projekt durchführen. Dabei erhielten wir viel Unterstützung vom Forstamt und dem Nürnberger Tiergarten.
Frage: Wie sah euer praktisches Vorgehen beziehungsweise eure Intervention aus?
Evelyn & Mo: Wir wollten etwas umsetzten, was wenig Einfluss auf die Umwelt hat, sich selbst wieder auflöst, irritiert und uns nicht zentriert, sondern auf die Probleme aufmerksam macht. An der Russenwiese versammeln sich täglich viele Menschen und den wenigsten ist klar, dass an dieser Stelle mal Baracken eines Kriegsgefangenenlagers waren. Wir haben uns zunächst an historischen Luftbildern der Russenwiese orientiert, um die Umrisse der alten Arbeitslagerbaracken auf der Wiese mit einem grellen Farbspray zu markieren. Im Nachhinein haben wir auch selbst eine Drohne über die Wiese fliegen lassen und Luftbilder erstellt, damit unsere bunten Markierungen der Barackenumrisse festgehalten werden. Um die Menschen nach der Irritation gleich aufzuklären, haben wir einen Informationstisch aufgestellt. Darauf fanden sie viele Hintergrundinformationen, Luftbilder und auch Informationen aus dem Kriegsgefangenenlager.
Frage: Hattet ihr auch Herausforderungen bei der Umsetzung?
Evelyn & Mo: Ja, also eine Sache war schwierig. Und zwar befinden sich die Fundamente des Kriegsgefangenenlagers auch unterhalb einer Spitze vom Wald. Die Stelle gehörte ursprünglich noch zur Wiese, aber wurde dann vom Wald überwuchert. An der Stelle konnten wir dann nicht direkt intervenieren, sondern haben vom Informationstisch darauf verwiesen. Aber dennoch war es ein spannender Aspekt für uns und war auch kritisch zu betrachten. Denn jedem ist es möglich, einfach durch die Fundamente des ehemaligen Arbeitserziehungslager zu laufen, ohne es vielleicht zu bemerken. Es steht keine Informationstafel dort oder Ähnliches. Man kann sich sogar dort auf eine Bank setzten und genau darunter befindet sich noch ein Eckpfeiler. Das war für uns schon sehr heftig, dass alles noch da ist und man alles noch sehen kann, aber dennoch nichts darauf hinweist.
Frage: Wie waren die Reaktionen von den Menschen auf der Russenwiese?
Evelyn & Mo: Die Menschen waren wirklich sehr interessiert. Jeder, der an uns vorbeigelaufen ist, hat angehalten und nachgefragt, was das eigentlich ist und was daraus wird. Zum Teil haben uns die Menschen auch persönliche Geschichten erzählt, über ihre Familien oder über Dinge, die sie wussten. Das war wirklich eine schöne Sammlung an Informationen, die wir ohne die Menschen nie erfahren hätten. Das Ganze stand ungefähr eine Woche lang und wurde mit dem ersten Regen auch gleich weggewischt. Wir haben aber das Ganze natürlich über Fotos festgehalten und im Nachhinein auch noch mal im Rahmen der Summer School präsentiert. Schade war nur, dass es bei dieser Präsentation zu keiner Diskussion kam.
Frage: Was hat es bei euch emotional ausgelöst, euch so tief mit der Geschichte der Russenwiese auseinander zu setzten?
Evelyn & Mo: Also es gibt eine Publikation über die Grünflächen des Reichsparteitagsgeländes, über die wir auch auf die Russenwiese gestoßen sind. Darin waren auch viele Zeitzeugenberichte, in denen man erfährt, wie man mit den Menschen umgegangen ist und was für Strafen verordnet wurden. Das war wirklich extrem schockierend! Vor allem wenn es dann auch noch handschriftlich geschrieben ist oder ein Name dabeisteht. Und dann liest man sowas und läuft über diesen Ort, wo es heute einfach nur friedlich ausschaut. Auch die ganzen persönlichen Geschichten, die uns Menschen erzählt haben, waren sehr emotional. Wir hatten das Gefühl, dass wir sehr viele Informationen zwar für unser Projekt aufarbeiten mussten, aber gleichzeitig musste man das Ganze auch auf emotionaler Ebene verarbeiten.
Frage: Was war das Wichtigste für euch, was ihr aus diesem Projekt mitgenommen habt?
Evelyn & Mo: Also zum einen natürlich die Informationen, die Herangehensweise, die eigene Position, aber auch herauszufinden, wie man andere Menschen dafür begeistern kann, sich mit diesem Thema auseinander zu setzten. Es war so schön, dass es so viel positiven Anklang gefunden hat und so viel Interesse geweckt hat. Wir würden uns wünschen, dass es eine stärkere Zusammenarbeit mit Vereinen gibt, die sich schon seit Jahrzehnten mit diesem Thema befassen und bereits Lösungen für bestehende Probleme entwickelt haben. Zudem wäre es schön, wenn das bereits bestehende Informationssystem erweitert und zum Beispiel auf die Trümmer im Wald neben der Russenwiese hingewiesen wird.
Hannes, Student der TH Nürnberg, hat sich mit städtebaulichen Entscheidungsprozessen im Kontext des Ehemaligen Reichsparteitagsgeländes beschäftigt. Er hat bei seiner Recherche festgestellt, dass man häufig Prozesse rückwirkend findet, die eher „unglücklich verlaufen“ sind. So wie beispielsweise bei dem ehemaligen Umspannwerk in der Regensburger Straße, wo heute ein Burger King vorzufinden ist. Denn das Umspannwerk war während der Zeit des Nationalsozialismus ein wichtiger Bestandteil der Infrastruktur. Welche Entscheidungsprozesse im Bezug zum Umspannwerk „unglücklich verlaufen“ sind, erklärt uns Hannes im Interview.
Frage: Wie bist du bei deinem Thema vorgegangen? Was ist dir da als Erstes aufgefallen?
Hannes: Nun ja, vor dem ehemaligen Umspannwerk sollte eine Informationstafel stehen. Als ich aber das erste Mal vor Ort war und mir alles anschauen wollte, habe ich keine Tafel gefunden und dachte, die wäre einfach weg. Ich wendete mich an das Atelier Lipopp (C.Popp und X.Li), das für den Entwurf und die Realisierung der Informationstafeln zuständig war. Es stellte sich heraus, dass ein Entscheidungsprozess stattfand, was die Verlegung der Tafel auf die andere Straßenseite bei führte. Um genau zu verstehen, was passiert war, habe ich mir vorgenommen, alle wichtigen Akteure zu befragen. Ich habe mit Vertretern der Stadt Nürnberg und Fachleuten der N-ERGIE gesprochen, denen das Grundstück eigentlich gehört hat. Dazu gehörte Beispielweise Helmut Schott, der unter anderem 30 Jahre Dienstzeit als verbeamteter Architekt bei der Stadt Nürnberg hinter sich hat und seit zehn Jahren bereits im Ruhestand ist. Zudem führte ich auch mit Robert Minge, Abteilungsleiter des ehem. Reichsparteitagsgeländes und Hans-Jürgen Strempler, Abteilungsleiter für Immobilien- und Rechtemanagement bei N-ERGIE interessante und aufschlussreiche Gespräche. Natürlich wollte ich auch den jetzigen Eigentümer befragen, doch der lehnte meine Anfrage ab.
Frage: Welcher Entscheidungsprozess führte dazu, dass die Tafel verlegt wurde?
Hannes: Wenn man alle Informationen zusammenfasst, kommt man zu dem Punkt, dass dieser konkrete Entscheidungsprozess sehr von den Eigentumsverhältnissen geprägt war. Der Grundstückseigentümer, mit dem ich leider nicht reden konnte, hatte eine Ressourcenhoheit und konnte dementsprechend den Ausgang der Entscheidung maßgeblich beeinflussen. Das war eine interessante Erkenntnis, dass im unmittelbaren Kontext des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes eine Privatperson Entscheidungen treffen kann. Die Ressourcenhoheit des Eigentümers ist folglich unmittelbar auf den Prozess der Verlegung der Informationstafel zurückzuführen. Das fand ich schon kurios, dass dieser Prozess kein öffentlicher Entscheidungsprozess war, sondern zwischen einer Privatperson und der Stadt.
Frage: Wie empfindest du den „neuen“ Standort der Tafel auf der anderen Straßenseite?
Hannes: Im Grunde war relativ schnell klar, dass beim neuen Standort die Bezüge nicht mehr ganz deutlich sind. Qualitativ ist der nicht so gut wie der ehemalige Standort. Also der Entscheidungsprozess hat auch Konsequenzen, selbst wenn es vermeintlich nur eine kleine Entscheidung war. Es hat definitiv Auswirkungen darauf, wie man die Informationen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gebäude wahrnimmt.
Frage: Wie wolltest du auf diesen Entscheidungsprozess aufmerksam machen? Wie sah deine Intervention aus?
Hannes: Der praktische Teil erfolgte in einer kooperativen Umsetzung gemeinsam mit Herrn Popp, der ebenfalls Studenten in der Akademie der bildenden Künste bei Projekten der Summer School 2021 begleitet hat. Unser Ziel war es, auf diese Informationstafel aufmerksam zu machen. Und damit auch darauf hinzuweisen, dass es bei dieser Entscheidung nie zu einem öffentlichen Diskurs kam. Natürlich war das in der Umsetzung nicht ganz einfach, denn an der Stelle befindet sich ein Gehsteig und es gibt Sicherheitsanforderungen, die erfüllt sein müssen. Das heißt, eine permanente Installation oder eine, die länger stehen durfte, war nicht realisierbar. Aber darauf kam es uns im Endeffekt gar nicht an. Uns war wichtig, kurzfristig, sei es dann auch nur über ein Foto darauf aufmerksam zu machen, dass hier ein Entscheidungsprozess abgelaufen ist, der Konsequenzen mit sich trägt. Wir haben uns dafür entschieden, eine Installation für zehn Minuten aufzustellen, die auf den neuen Standort hinweist. Wir stellten also eine große Leinwand genau neben die Informationstafel auf. Darauf zu sehen war auf der Vorderseite ein großer Pfeil, der auf die Informationstafel zeigte und daneben der Text: „Informationen ehemaliges Umspannwerk“. Und auf der Rückseite stand: „Von einem anderen Standpunkt betrachtet“. Sehr simpel gemacht, aber wir fanden den Effekt trotzdem sehr stark. Selbst in den wenigen Minuten, in denen die Intervention stattfand, wurden viele Menschen darauf aufmerksam. Und allein wegen den Bildern die dabei entstanden sind, war es aus unserer Sicht ein Erfolg.
Frage: Wie waren die Reaktionen auf deine Intervention?
Hannes: Nun ja, wir zielten ja nicht darauf ab, unmittelbar vor Ort eine Reaktion auszulösen und durch die kurze Zeit war das auch nicht wirklich möglich. Für uns war es vielmehr wichtiger, mit den Bildern, die im Rahmen der Summer School ausgestellt wurden und mit dem dazugehörigen Vortrag darauf aufmerksam zu machen. Da gab es dann sehr viele Reaktionen. Es war vielen nicht bewusst, dass an dieser Stelle ein Verlegungsprozess stattgefunden hat. Viele hatten den Eindruck, die Tafel hätte schon immer dagestanden.
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