Cassie Thornton, Zoë Claire Miller und Simon Fujiwara über Kunst im öffentlichen Raum.
Kunst gibt es in unzähligen Variationen. Ihre Formen und Materialien sind so vielfältig wie die Botschaften der Künstler*innen, die diese mit ihren jeweiligen Werken möglicherweise ausdrücken möchten. Gleichzeitig lassen die meisten Arbeiten dabei ebenso unterschiedlichste Interpretationen durch die Öffentlichkeit zu. Es wirkt als würde jede*r, nahezu automatisch in den Weiten der Kunst fündig werden, sich durch sie verstanden fühlen. Und doch wird diese – trotz all ihrer Vielfältigkeit – derzeit zwischen zwei dominierenden Welten hin und her gerissen: Aktivismus einerseits, glamouröse Exklusivität andererseits. Zwei Bereiche, die kaum unterschiedlicher sein könnten.
Hierüber diskutierten am Freitag, den 22. Oktober 2021, drei Künstler*innen aus aller Welt gemeinsam mit Moderator und Kunstkritiker Oliver Koerner von Gustorf im Rahmen des Symposion Urbanum Nürnberg im Neuen Museum der Stadt. Das Panel What is Common on this Ground? beschäftigte sich ausführlich mit der Frage, welche Rolle Kunst im öffentlichen Raum einnimmt. Dort muss sie präsent sein, zugänglich für alle Menschen. In manchen Bereichen ist das jedoch nicht der Fall. So werden auf der einen Seite etwa schreckliche Geschehnisse aus Deutschlands nationalsozialistischer Vergangenheit durch aktivistische Werke zurecht erschreckend ehrlich verdeutlicht. Möglichst viele Menschen sollen auf diese Weise wachgerüttelt werden. Auf der anderen Seite bleibt ein Großteil der Kunstszene oftmals versteckt in einem überschaubaren, exklusiven Kreis unter sich. Beinahe elitär wirkende Ausstellungen oder Auktionen lassen die Mehrheit der Gesellschaft außen vor. Hier scheint Kunst nicht für jeden verfügbar zu sein.
Die am Panel teilnehmenden Künstler*innen, Cassie Thornton, Zoë Claire Miller und Simon Fujiwara, diskutierten Ideen und Möglichkeiten, wie im öffentlichen Raum dargestellte Kunst innovativer werden kann. Jede*r der Vortragenden verdeutlichte dabei anhand eigener Arbeiten unterschiedlichste Ansätze. Besonders einleuchtend wirkte der des britisch-japanischen Künstlers Fujiwara in seinem aktuellen Werk WHO?. Denn es spricht die breite Öffentlichkeit an, lässt niemanden außen vor.
Dafür entwarf Simon Fujiwara die Zeichentrick-Figur Who the Bær. Der fiktive Teddy besitzt eine menschenähnliche Persönlichkeit und begibt sich auf die Suche nach seiner wahren Identität. Die Botschaft dahinter: Who kann alles sein, was er möchte – unabhängig von Geschlechtergrenzen oder Gesellschaftsschichten. Der durch den Künstler ins Leben gerufene Bär entdeckt, dass er sich jederzeit verändern und neu gestalten kann. Obwohl er sich zunächst hoffnungslos und ausgeschlossen fühlt. Ein Gefühl, das wohl jede*r bereits einmal erlebt hat. Den vermeintlich bestehenden Zwang sich beispielsweise einer bestimmten Nationalität oder Sexualität zuordnen zu müssen. Das Werk nimmt Bezug auf ein weit verbreitetes Problem unserer Gesellschaft, das Schubladendenken. Durch die von Who the Bær vermittelte Message hat Simon Fujiwara etwas entworfen, mit dem sich jede*r auf individuelle Art und Weise identifizieren kann. Unabhängig von ihrer tiefgehenden Gesellschaftskritik spricht die Zeichentrickfigur auch eine weitere Bevölkerungsgruppe an: Kinder. Die in der Inszenierung verwendeten Farben, fröhlichen Elemente und nicht zuletzt der Teddybär selbst, faszinieren auch sie. Fujiwara schuf ein Kunstwerk für jede*n, lässt die gesamte Gesellschaft einen Zugang zu seiner Arbeit finden.
Inszenierungen wie diese sollten als Paradebeispiel für Kunst und ihre Erlebbarkeit gelten. Ebenso ist es wichtig, Kunst nach wie vor und noch viel stärker im öffentlichen Raum frei zugänglich zu machen. Sichtbare Ausstellungen an öffentlichen, zentralen Plätzen etwa, die niemanden außen vorlassen. Kunst muss für jede*n da sein – unabhängig ob einer Minderheit oder unterschiedlicher Gesellschaftsschicht zugehörig.
Insgesamt verdeutlichten die Gespräche während des Panels What is Common on this Ground?, wie vielfältig alleine die Ansichten der vier Referenten*innen zu Kunst im öffentlichen Raum sind. Während Fujiwara mit seiner Zeichentrick-Figur Who the Bær aktiv verschiedenste Gesellschaftsschichten inklusive diverser Minderheiten ansprechen möchte, sieht Zoë Claire Miller auch einen beeindruckenden Glanz an exklusiven Kunstszenen. Letztere können sicherlich einen nahezu mystischen Reiz ausstrahlen und neugierig machen. Doch wirken Galerien hinter verschlossenen Türen tatsächlich für jede*n so geheimnisvoll und anziehend? Hier können sich die Ansichten sicherlich spalten. Doch zwischen allen Diskussionen sollte stets sichergestellt sein, dass Kunst nicht in exklusiven Kreisen verborgen bleibt. Ihre Werke sollten der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, Menschen verschiedenster Bevölkerungsgruppen ansprechen und begeistern können.
Kunstauktionen, die ein bestimmtes Publikum anziehen, oder exklusive Ausstellungen in Museen sind keinesfalls verwerflich. Fatal wird es jedoch, wenn sich Teile der Gesellschaft ausgegrenzt fühlen. Ganz so, als hätten sie keine Berechtigung an Kunst teilzunehmen oder könnten sich mit ihren Inhalten nicht identifizieren. Obwohl Kunst doch eigentlich in unzähligen Varianten zu finden sein sollte - sichtbar für alle, die bereit sind diese wahrzunehmen.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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