Das Nürnberger Opernhaus ist stark baufällig. Es zu sanieren, wird Millionen Euro kosten. Ein Standort, der seit Jahren vorwiegend ungenutzt ist, ist die Kongresshalle. In der einen Rundung stehen Straßenschilder, in der nächsten parkt ein Auto. Kann man also Opernhaus und Kongresshalle kombinieren? Und was hat das mit Sandwiches zu tun? Ein Kommentar.
Als am vergangenen Samstag das Wort Sandwich fiel, mussten viele Teilnehmer*innen schmunzeln. Beim Workshop „visionary cultural excursion-Nürnberger Kulturhäuser neu gedacht“ diskutierten Interessierte über die Möglichkeit eines Neubaus des Nürnberger Opernhauses in der Kongresshalle. Denn fest steht eines: Das Opernhaus ist baufällig. Natalia Buholzer von der Politbande, die im Nürnberger Stadtrat vertreten ist, rechnet vor: Eine Sanierung und ein Interimsbau könnte gut und gerne eine Milliarde Euro schlucken. Also ungefähr so viel wie 200 Millionen Sandwiches.
Womit wir beim Thema wären: Sandwiches. Ein gutes Sandwich hat die Eigenschaft, dass es reichhaltig belegt ist, vielfältig in der Auswahl der Zutaten, reich an guten Inhaltsstoffen. Eine gute Soße, Tomate und ein Gürkchen runden den Genuss ab. Wenn man reinbeißt, sollten die Zutaten – und sind sie noch so vielfältig und unterschiedlich – ein harmonisches Gesamtbild ergeben. Philipp Seis, der den Workshop vergangenen Samstag mit Babis Panagiotidis und Stephanie Walter veranstaltete, zog diesen Vergleich zur Kongresshalle: „Was legen wir auf das Sandwich drauf?“
Betrachten wir die Kongresshalle, so liegt da wohl das Brötchen vor uns. Zugegeben, es könnte frischer sein. Vor allen Dingen ist es aber ein Brötchen mit so viel Geschichte, das verbunden ist mit schrecklichen Gräueltaten, die nie vergessen werden sollten. Und doch ist es nun mal da. Im Gegensatz zum Belag. Nun können wir für den Belag Verkehrsschilder, Mülltonnen und alte Autos nehmen oder wir belegen das Sandwich mit dem, was eben ein gutes Sandwich ausmacht: Vielfalt.
Dafür lohnt sich ein Blick auf das Regenbogen-Präludium an der Zeppelintribüne. Auch hier ist das Brötchen, das schwierige Erbe, da. Mit den Streifen sind die Künstler*innen diesem Erbe aber mit dem begegnet, wofür es nicht steht: Offenheit, Toleranz, Vielfalt.
Warum belegen wir das Brötchen Kongresshalle also nicht mit eben jenen Zutaten. Das Gebäude sollte einschüchternd wirken, sollte das Gefühl geben: Du bist nur einer von dieser riesigen Masse. Wir sollten diesen Nutzen nun umkehren zu einem Begegnungszentrum für alle Menschen. Wir sollten weiterhin und noch verstärkt aus der Opfer-Perspektive daran erinnern, was in Nürnberg, in Deutschland, in der Welt passiert ist. Das Brötchen des Sandwiches sollte nicht verdeckt werden von den Zutaten, die darauf liegen. Wir sollten nicht vergessen, dass dieses Brötchen, dieses Erbe, keinesfalls verharmlost werden sollte. Dass es enorm wichtig ist, die Gräueltaten des Nationalsozialismus zu zeigen. Aber genau deswegen ist es von enormer Bedeutung, die Kongresshalle zu erhalten und sie gleichzeitig umzudeuten.
Dabei müssen wir auch Opernhäuser neu denken. Sind sie nur einer elitären Minderheit vorenthalten? Ein Opernhaus innerhalb der Kongresshalle sollte das nicht sein. Oben Oper, unten Usher. Wie wäre es mit einer Disco, einem Seniorentreff und Kunst-Ausstellungen? Die Kongresshalle sollte zu einem Ort der Vielfalt werden für alle Menschen; jedes Geschlechts, jedes Alters, jeder Nation.
Mit der Kongresshalle und dem Opernhaus hat Nürnberg die Chance ein einmaliges Zeichen der Vielfalt zu setzen ohne dabei die Erinnerung verblassen zu lassen; ja, sie sogar noch stärker auszubauen. Denn ein Sandwich schmeckt nur mit vielen Zutaten gut.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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