Inge Manka arbeitet als Senior Scientist an der Technischen Universität Wien am Institut für Kunst und Gestaltung in der Abteilung Zeichnen und visuelle Sprachen. Gemeinsam mit Peter Wendl, Xiaotian Li und Christof Popp hat sie die International Public Summer School 2021 auf die Beine gestellt.
Frau Manka, wie entstand die Idee zur Summer School und was war Ihre Rolle dabei?
Ich komme dazu, da das ehemalige Reichsparteitagsgelände einfach schon lange im Fokus meiner persönlichen Forschungsarbeit steht. Ich habe eine Dissertation über das Reichsparteitagsgelände als kollektiver Erinnerungsort geschrieben. Im Fokus stand weniger eine historische oder architektur-historische Herangehensweise, sondern eher kulturelle, gesellschaftswissenschaftliche oder erinnerungskulturelle Dimensionen und Sachverhalte. Also wie lässt sich das nutzen, was sind da für Potenziale, was sollte erinnert werden, wer sollte erinnern, was gibt’s da für Möglichkeiten. Und die Summerschool war jetzt eine Idee, vor Ort etwas zu machen, weil auch schon sehr lange keine Kunst im öffentlichen Raum, also was ich darunter verstehe, von der Stadt zugelassen wurde. Das Projekt gestaltete ich gemeinsam mit Peter Wendl, Xiaotian Li und Christof Popp.
Ihr kanntet euch also schon vorher und habt euch überlegt, wie ihr das zu einem gemeinsamen Projekt umwandeln könnt?
Genau. Als die Bewerbung Nürnbergs zur Kulturhauptstadt 2025 lief, war die Überlegung, ob man im Rahmen dessen schon das Projekt angeht und eventuell einreicht. Das haben wir zeitlich nicht geschafft. Die Idee dazu ist mir gekommen, da ein Kollege von mir an der TU Wien im Jahr 2009 für die damalige Kulturhauptstadt Linz ein größeres Projekt – Bellevue. Das gelbe Haus“ – umgesetzt hat.
Sie sagten, Sie haben ein persönliches Interesse am ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Woher kommt das?
Das ist eine lange Geschichte. Ich bin in Langwasser aufgewachsen, also quasi am Reichsparteitagsgelände. Damals, in den 70er, 80er Jahre, gab es noch kaum eine öffentliche Aufarbeitung seiner Geschichte. 1984 wurden zum ersten Mal Informationstürme aufgestellt und die Ausstellung „Faszination und Gewalt“ war ursprünglich eine kleinere Ausstellung in der Zeppelintribüne, bevor es das Doku-Zentrum gab. Ich hätte auf der Universität im Rahmen meines Architekturstudiums eine Seminararbeit etwas über das Reichsparteitagsgelände schreiben wollen, die ich im Zuge von Studienplanumstellungen dann nicht mehr gebraucht habe. Dann dachte ich, ich mache es als Diplom-Arbeit. Das ist aber ebenfalls anders gekommen. Schlussendlich ist es eine Dissertation geworden, mit der ich mich endlich dem Thema gewidmet habe.
Eins der Projekte der Summerschool war, dass Studierende beim Bahnhof Märzfeld Spaziergänger*innen gefragt haben, ob sie wissen was ebenda und in ganz Langwasser damals passiert ist. Viele wussten von nichts oder haben nur oberflächlich davon gehört. Wie erging es Ihnen, als Sie dort aufgewachsen sind?
Langwasser war ja noch ganz frisch, da war das noch präsenter. Ich glaube, ich lernte das in der Schule, obwohl wir nie als Ausflug hingegangen sind. Dass es das Reichsparteitagsgelände ist, also was es ist, wussten wir schon. Dass die große Straße eine Fluglandebahn war, haben wir uns schon als Kinder erzählt. Und der ehemalige Bahnhof Märzfeld war früher noch zugänglich, da haben wir uns dann als Jugendliche getroffen. Das wusste ich jedoch damals nicht, was der für eine Rolle hatte. Wann sich welches Wissen ergänzt hat, kann ich nicht mehr genau sagen, das verlief fließend.
Um zum Projekt Summer School zurückzukommen: Wie verlief die Zusammenarbeit zwischen den Studierenden der verschiedenen Bildungseinrichtungen?
Gemischt. Letztendlich zwar ganz gut, aber auf jeden Fall verschieden. Bei uns in Wien sind einige Studierende aus Nürnberg oder die Nürnberg kennen, also da ging es dann ein bisschen einfacher. Manche waren aber noch nie in ihrem Leben in Nürnberg und schon gar nicht am Reichsparteitagsgelände. Das war am Beginn eine Schwierigkeit, da sie aus der Ferne die Orte erkunden mussten. Aber dafür hat es auch an Zusammenarbeit bedurft. Teilweise haben meine Studierenden, die den Ort kaum kannten, gewisse Dinge anders interpretiert.
Wie kam das Projekt an? Haben Sie auch Feedback aus Wien bekommen?
In Wien natürlich weniger, weil dann doch der Bezug zu stark fehlt. Auf der anderen Seite ist es auch ein übergreifendes Thema. Dass die Oper in die Kongresshalle kommt, ist auch hier durch alle Medien gegangen. Da haben mich schon sehr viele Leute darauf angesprochen. So präsent waren wir leider nicht. Das hätten wir uns schon etwas mehr gewünscht.
Wie fassen Sie das Projekt zusammen? Was hätte besser laufen können?
Wir hätten uns gewünscht, alles auf der Spiegelwiese machen zu können. So waren viele der Vorträge in einem der Vorlesungsräume der TH Nürnberg. Es war auch prinzipiell stressig, da wir es unbedingt diesen Sommer noch machen wollten, da uns das Thema virulent erschien. Die Aktionen auf der Spiegelwiese selbst und vor allem die wachsende Ausstellung waren auf jeden Fall ein Erfolg. Die Tagung war inhaltlich sehr spannend, es war nur schade, dass wir dafür eben in die TH mussten. Insgesamt war es natürlich wahnsinnig viel Hin und Her, da hat uns Corona natürlich auch nicht gerade geholfen. Wir mussten auch den Ort noch einmal wechseln, es war ursprünglich bei der Zeppelin-Tribüne geplant. Irgendwas im öffentlichen Raum zu machen ist immer schwierig, auch in Wien. Es gibt alle möglichen Bedingungen und viele städtische Stellen haben ein Mitspracherecht.
Haben Sie oder auch ihre Studierenden konkrete Ideen, wie man das Reichsparteitagsgelände gestalten könnte?
Wir wollten nicht den x-ten Lösungsvorschlag machen, sondern einen Schritt zurückgehen und sagen „reden wir doch erst einmal darüber.“ Und so sehe ich alle Studierenden-Projekte, sie zielten eher darauf den Diskurs aufzumachen, Situationen und Meinungen zu erforschen, auf vergessene Dinge und Orte aufmerksam zu machen, als zu sagen „ich hab da jetzt eine bessere Lösung.“
Was ist Ihr Fazit zum Projekt?
Wir sehen die Summer School als eine Art Kunstprojekt, das aus vielen verschiedenen Teilen bestand. Vielleicht wurde es durch den Namen etwas missverstanden. Das Wort „Public“ im Namen der Summer School sollte aussagen, dass jede*r daran teilnehmen kann, der/die darauf Lust oder Interesse hat. Ich glaube, durch den Begriff „Summer School“ haben wir uns etwas schwer getan zu vermitteln, dass es nicht nur für eine geschlossene universitäre Gruppe gedacht ist. Die Lesungen und Workshops auf der Spiegelwiese haben sehr gut funktioniert. Das war uns sehr wichtig, dieses niederschwellige „Ah, ich komme vorbei, habe etwas Zeit und schaue mir das an.“ Wie gesagt, vor allem die Ausstellung war ein großer, in der Dimension unerwarteter Erfolg. So etwas würden wir uns verstärkt wünschen für eine etwaige zweite Summer School. Noch mehr Beteiligung von vielen verschiedenen Menschen. In Nürnberg und über Nürnberg hinaus. Die Spiegelwiese war ein super Standort dafür. Aber dann so, wie wir uns das ursprünglich vorgestellt haben: mit einem Zelt, damit vor Ort alle Aktivitäten stattfinden können. Nicht gleich dieses Jahr, aber vielleicht schon nächstes Jahr.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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