Zwischen dem großen Dutzendteich und dem Volksfestplatz steht der größte und bis heute erhaltene Bau des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg: die Kongresshalle. Obwohl die Halle nie vollendet wurde, demonstriert die halbrunde Fassade aus Granit eindrucksvoll, in welch gigantischen Dimensionen das geplante Gelände der Nationalsozialisten gedacht war.
Der Grundstein für die Kongresshalle wurde 1935 gelegt. Verantwortlich für die Pläne waren der Nürnberger Architekt Prof. Ludwig Ruff und dessen Sohn Franz Ruff. Der hufeisenförmige Grundriss sollte 275 Meter lang und 265 Meter tief werden und Platz für bis zu 50.000 Menschen bieten. Doch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Bau eingestellt. Von den geplanten vier Geschossen wurden nur drei errichtet. Auch der Innenraum, die Tribünenreihen sowie das Dach wurden nicht vollendet. Dennoch gilt der fertiggestellte Teil der Fassade mit seinen 40 Metern Höhe als das größte erhaltene Gebäude der Propaganda-Architektur in Deutschland.
Diese gewaltige Größe war schon damals von Bedeutung. Hitler sagte während der Grundsteinlegung: „Wenn aber die Bewegung jemals schweigen sollte, dann wird noch nach Jahrtausenden dieser Zeuge hier reden.“ Die Nationalsozialisten versuchten mit ihren Bauprojekten nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart zu übertreffen. Als antikes Vorbild diente das Kolosseum in Rom. Das nationalsozialistische Deutschland wollte sich als Weltreich präsentieren und alle anderen historischen Reiche übertreffen. Zusätzlich sollten die überdimensionalen Maße der Kongresshalle die Menschen gleichermaßen beeindrucken und einschüchtern. Der extrem harte Granit, der für den Bau verwendet wurde, war für die Ewigkeit gedacht. Doch dieser Plan ging nicht ganz auf.
Nach dem Krieg wurde die Kongresshalle zunächst von den Amerikanern als Lager für Lebensmittel benutzt. 1949 fand hier zum ersten Mal die Deutsche Bauausstellung statt. Die Halle trug zu dieser Zeit den Namen „Ausstellungsrundbau“. Auch ein Café wurde im zweiten Stock eingerichtet. Ein Jahr später wurde hier die Jubiläumsausstellung „900 Jahre Nürnberg“ eröffnet. Ein historische Zurschaustellung ohne Erwähnung der Rolle Nürnbergs im Dritten Reich. Und das ausgerechnet in der ehemaligen Kongresshalle der Nationalsozialisten.
Der ehemalige Stadtrat Albert Bleistein sagte 1969: „Ob es ein Überbleibsel aus dem Dritten Reich ist, ist unwichtig. […] Man kann die Kongresshalle nicht einfach abreißen.“ So diente das Gebäude und der Innenhof nach den Ausstellungsprojekten als Lager für verschiedene Unternehmen. Zwischenzeitlich machten Pläne die Runde, die Kongresshalle in ein edles Einkaufscenter oder ein Stadion zu verwandeln. In den 1960er-Jahren zogen ein Tonstudio und ein Orchester in die Halle. Nach einer Millioneninvestition für ein neues Dach sowie einen Lastenaufzug lagerte ab 1972 das Versandhaus Quelle hier seine Waren. Seit 2006 steht dieser Teil des Gebäudes leer. Im nordwestlichen Kopfbau waren eine Zeit lang das Technische Hilfswerk und der Katastrophenschutz untergebracht. 2003 wurde auf dem Dach der Kongresshalle eine Photovoltaikanlage installiert.
All das war laut Volksstimmen nicht unbedingt ein angemessener Umgang mit dem nationalsozialistischen Erbe. Erst in den 1990er Jahren wurde eine Brechung oder Veränderung der Fassade vorgeschlagen. Für manch einen kam dieser Vorschlag viel zu spät. Dennoch wurde er mit dem Konzept des „Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände“ schließlich verwirklicht. Die moderne Gegenarchitektur im nördlichen Kopfbau der Kongresshalle wurde im November 2001 eröffnet. Das Dokumentationszentrum beherbergt eine chronologische Darstellung der Geschichte des Dritten Reiches. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen das Reichsparteitagsgelände und die Reichsparteitage. Die Verwirklichung des über zehn Millionen teuren Ausstellungsprojekts wurde durch Zuschüsse und Kulturstiftungen finanziert.
2021 rückte die Kongresshalle als mögliches Ausweichquartier für das Nürnberger Opernhaus erneut in den Fokus. Obwohl es viele Kritiker gibt, wurde diesem Plan vorerst zugestimmt. Ob die Kongresshalle in Zukunft wirklich mehr Kulturstätte als Erinnerungsort sein wird, bleibt aktuell abzuwarten.
Quellen:
Abbildung 1: "Ihre Bauten sind tot - überwindet ihren Geist!" aus "Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg" von Alexander Schmidt, Sandberg Verlag Nürnberg, 2017, Seite 38
Abbildung 2: "Innenhof der Kongresshalle als Stellfläche für Autos, 2000." aus aus "Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg" von Alexander Schmidt, Sandberg Verlag Nürnberg, 2017, Seite 46
Abbildung 3: "Transportband im Arkadengang der Kongresshalle, Fotografie von Ralf Meyer, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, 2001." aus "Das Gelände. Dokumentation. Perspektive. Diskussion." von Museen der Stadt Nürnberg, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Michael Imhof Verlag, Seite 62
Literatur:
"Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg" von Alexander Schmidt, Sandberg Verlag Nürnberg, 2017
"Das Gelände. Dokumentation. Perspektiven. Diskussion." Museen der Stadt Nürnberg, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Michael Imhof Verlag
"Das Reichsparteitagsgelände im Krieg" von Hanne Leßau, Michael Imhof Verlag 2021
Homepage "Holzmann Bildarchiv", zuletzt abgerufen am 24.01.2022, https://holzmann-bildarchiv.de/bauen-im-ausland/kongresshalle-nurnberg/
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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