Abreißen, erhalten oder umgestalten? Die Zukunft der Zeppelintribüne ist derzeit noch ungewiss.
Rechtsextreme Gewalt, das ehemalige Reichsparteitagsgelände sowie die Darstellung von Täter- und Opferperspektiven – in ihrem Workshop Eine Fackel, drei bunte Streifen und nie wieder NSU im Rahmen der International Summer School sprach Birgit Mair verschiedenste Themen an. Die Autorin beschäftigt sich seit vielen Jahren unter anderem mit dem Nationalsozialismus und rechter Gewalt, insbesondere in Nürnberg. Ein Schwerpunkt der offenen Diskussion mit den Workshop-Teilnehmer*innen am Samstag, den 18. September, lag dabei auf der Zukunft der Zeppelintribüne. Die Rechtsextremismus-Expertin hat hierzu eine klare Meinung, sie ist für einen „kontrollierten Verfall“. Doch ist das tatsächlich der richtige Umgang mit dem geschichtsträchtigen Gelände?
Für mich verdeutlichte der Meinungsaustausch der Teilnehmer*innen, wie schwer es ist, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Denn selbst in der kleinen Runde mit nur sieben Diskutierenden wirkte es nahezu unmöglich, eine ideale Lösung für die Zukunft der Zeppelintribüne zu finden. Jeder Vorschlag hatte seine Vor- und Nachteile. Oder gibt es in Bezug auf das ehemalige Reichsparteitagsgelände gar nicht diesen einen bestimmten Weg, den die Mehrheit der Gesellschaft als richtig empfindet?
Wird das NS-Baurelikt am Zeppelinfeld gesprengt und sämtliche Spuren dessen schrecklicher Vergangenheit vollständig entfernt, könnten womöglich wichtige geschichtliche Aspekte noch weiter aus dem Bewusstsein der Menschen verdrängt werden. Entscheidet man sich gegen eine radikale Sprengung und lässt den Betonbau stattdessen von Natur aus zerfallen, so wie es Referentin Mair vorschlug, droht möglicherweise die gleiche Konsequenz. Außerdem stellt sich dann die Frage, was mit der leeren Fläche geschehen soll. Einerseits wirkt es unwahrscheinlich, dass durch einen Abriss der Steintribüne alle Geschehnisse der NS-Zeit vollständig in Vergessenheit geraten. Andererseits bemerkte ich an mir selbst, welchen schrecklich-imposanten Eindruck das Areal auslösen kann. Nur etwa durch Texte oder Überlieferungen wäre der Größenwahn und die unfassbare Weite des Zeppelinfeldes wohl gar nicht vorstellbar.
Die Tribüne jedoch für mehrere Millionen Euro zu sanieren, um sie unverändert weitere Jahrzehnte stehen zu lassen, scheint auch nicht richtig. Stattdessen wäre eine Umdeutung wichtig, die den schmalen Grat zwischen dem Zurücklassen des Schrecklichen und gleichzeitigem Erinnern schafft. Das gesamte ehemalige Reichsparteitagsgelände sollte weniger als „Täterort“ gelten, wie Birgit Mair ihn treffend beschrieb, sondern verstärkt die Opferperspektive aufzeigen. Die Zeppelintribüne darf nicht mehr als eine Art Pilgerstätte für Anhänger rechter Gewalt dienen, sondern vielmehr ein Ort sein, der etwa den Nürnberger Opfern des Holocausts gedenkt. Das Gelände rund um den Nürnberger Dutzendteich muss weiterhin über dessen NS-Vergangenheit informieren und aufklären, aber dennoch einen Schritt in eine neue Richtung wagen. Kunstaktionen, wie das Regenbogen-Präludium, können ein solcher Schritt sein und dürfen nicht innerhalb kürzester Zeit von den Steinmauern verschwinden. Denn sie verstecken die Geschichte nicht, nehmen dem alten Gemäuer jedoch hoffentlich den Glanz, den es in den Augen vieler Rechtsextremer offenbar noch versprüht.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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