Der Kern der International Public Summer School 2021 ist vor allem die Präsentation der fachlichen Forschungsergebnisse und die anschließende Verlagerung des Diskurses in die breite Öffentlichkeit. Für weitere Anreize und Gedanken sorgten die Vorträge unter der Moderation von Sylvia Necker, der Direktorin des Preußen Museums Minden. Vorträge von Nora Sternfeld und Max Welch-Guerra zu umkämpften Erinnerungsorten und dem Erhalten des Streitwertes im Diskurs.
Nach den Vorträgen von Neil Gregor und Florian Dierl (siehe vorherige Vorträge) wurde Nora Sternfeld über eine Videokonferenz digital zugeschalten.
Sie ist Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, Kuratorin und Professorin an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Nach Nora Sternfeld waren und sind Erinnerungsorte immer umkämpft.
Erinnerung wird durch diese Orte aus dem Persönlichen in die Gesellschaft gebracht und aus einem kollektiven Gedächtnis geformt.
Nach einem früheren Verständnis, wie es der französische Historiker Pierre Nora definiert, sind Erinnerungsorte kollektive, nationale Erinnerungen. Doch heute lässt sich die Frage danach nicht mehr national beantworten, weil es heute ein viel internationaleres Verständnis gibt und geben muss.
Erinnerungsorte sollten nun, dem Verständnis von Nora Sternfeld nach, mehr zu Kontaktzonen werden, in denen es einen Diskurs rund um den Gegenstand des Erinnerns geben sollte.
Sie stellt damit die Frage: „Was kann, soll, muss gemacht werden, wenn einerseits Erinnerung allgegenwärtig geworden ist und andererseits doch so vieles noch im Argen zu liegen scheint? Vor allem wenn gleichzeitig in Deutschland wieder Nazi-Morde stattgefunden haben?“
In Anbetracht der Erinnerung an die Opfer der NSU-Gewalttaten sind für Sternfeld gerade die Forderungen der Überlebenden und Hinterbliebenen klar und deutlich: Sie fordern lückenlose Aufklärung, Freigabe der Akten, keinen Schlussstrich ziehen und antirassistische Allianzen bilden.
Erst nach dem Umsetzen dieser Forderungen kann sich ein Diskurs öffnen und die erinnerungspolitische Arbeit beginnen. In ihrem letzten Satz erklärt Sternfeld:
„Ich möchte damit daran erinnern, dass diese Erinnerung gerade jetzt im Begriff ist zu ringen und dass das auch eine Aufgabe sein kann für Nürnberg.“ Eine Aufgabe, Orte der Erinnerung entsprechend zu gestalten und den Diskurs zu öffnen.
Im letzten Vortrag stellt Max Welch-Guerra, Professor für Raumplanung und Raumforschung an der Fakultät Architektur und Urbanistik an der Bauhaus Universität Weimar andere Arten des Umgangs mit Erinnerungsorten vor. Das macht er am Beispiel von Gebäuden aus dem Regime unter Franco in Spanien. Dort fehlt bis heute der Konsens darüber, dass die Verbrechen des Franco-Regimes furchtbar waren. Der Diskurs über den Umgang mit Gebäuden, wie der Valle de los Callidos ist bis heute offen und ungeordnet. Im Gegensatz zu Umgang innerhalb Deutschlands mit den Orten der NS-Zeit wird in Spanien bis heute ein kaum gesamtgesellschaftlich-kritischer Diskurs geführt. Gleichzeitig zeigt Welch-Guerra den Umgang mit dem Gestapo-Gefängnis in Berlin und mit dem Prora-Gebäude auf der Insel Rügen auf und vergleicht deren Einordung damit. Während beim Gestapo-Gefängnis Studierende der Geschichte inoffizielle Grabungen organisiert haben und so zur weiteren Erkenntnis über den Ort beigetragen haben, wird das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit dem NS-Bau „Prora“ an der Ostseeküste bis heute weitestgehend alleingelassen. „Wir haben Glück, dass das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg steht und sich die Stadt und die Regierung darum kümmert, dass es einen Streitwert darum gibt.“, schließt Welch-Guerra seinen Vortrag.
am ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg | Impressum & Datenschutz
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